INTERVIEW | 31 einfach wunderbar. Genauso wie die Glissandi, die man auf der Zither ma- chen kann. Ich finde den sinnlichen Zu- gang zum Instrument sehr wichtig. Wie soll ich sonst Schüler faszinieren? Be- vor sie nicht selbst eigene Intentionen entwickelt haben, kann ich zu ihnen nicht sagen, wenn ihr das und das übt, könnt ihr in ein paar Jahren dieses und jenes spielen. Das funktioniert einfach nicht. Im Anfangsunterricht sollten Stücke meiner Meinung nach möglichst sofort faszinieren und umsetzbar sein. Klanglich oder rhythmisch? Beides. Wobei ich sagen muss, dass ich mich da verändert habe. Früher war der Rhythmus, das Körperliche, für mich eher sekundär. Inzwischen ist er vom Puls ausgehend die Basis. Das ist wie beim Menschen: Wenn er keinen Puls hat, lebt er nicht. Ich lasse die Kinder den eigenen Puls spüren. Wenn wir ihn haben, halbieren wir oder verdoppeln ihn. Was bringt den Puls zum Stocken? Wenn zum Beispiel die Griffe zu schwie- rig sind, ist es schwer, in den Flow zu kommen. Daher gehe ich im Schwierig- keitsgrad lieber zurück und achte auf das Pulsieren. Dann schwindet auch die körperliche Verkrampfung. Wenn der Körper beim Spielen ständig ver- krampft ist, ist es schwierig das wieder loszuwerden. Daher verwende ich lieber ein leichtes Riff, das groovt, wenn ich es mit den Kindern gemeinsam spiele. Aus so einem rhythmischen Gemeinschafts- erlebnis kann etwas wachsen. Wie hört sich so ein Rhythmus an? Unggatschaga, unggatschaga, unggat- schaga, bumm – das sind 13 Töne, drei Vierer-Gruppen mit Abschluss, oder bummtscha für einen tiefen und einen hohen Ton. Man kann großen Gruppen oder auch jüngeren Schülern keine komplizierten Rhythmussysteme er- klären. Unggatschaga als Vierergruppe prägt sich dagegen sofort ein, bleibt hängen. Wenn Schüler fortgeschritte- ner sind, kann man immer noch Synko- pen erklären und ins Detail gehen Haben Sie noch weitere einprägsame Silbenkonstruktionen? Einige meiner Stücke für Ensemb- les haben den Dadawuff-Rhythmus. 1+ wird gespielt, auf die 2 kommt ein Perkussivschlag: Dadawuff, das klingt besonders mit Powerchords super. Ich habe versucht, das auch bei der Zither einzubauen, beispielsweise im „Marran- go“ (erschienen im StückWerk 2/2017). Muss Musik, die Jugendliche anspricht, aus ihrer Lebenswelt kommen? Nicht unbedingt, aber natürlich wollen Kinder auch das spielen/hören was sie schon kennen. Das merke ich immer wieder bei den Instrumentenvorstel- lungen. Jüngst fragten sie mich: Kön- nen Sie auch Depascito spielen (ein Lied des puertoricanischen Sängers Luis Fonsi, das mit über 5 Milliarden Aufrufen der bisher meistgesehene YouTube-Clip ist, Anm. d. Red.). Leider konnte ich es nicht, habe dafür Hava- na gespielt, das fanden sie auch cool. Inzwischen mache ich das Stück aber im Unterricht. Ich bin nicht der Mei- nung, ein Schüler ist verloren, wenn er nur Popmusik mag. Hauptsache, es macht ihm Freude, Musik zu machen. Ich spreche nie von klassischer Gitar- re. Manchmal spiele ich etwas aus der Klassik vor, und die Schüler möchten es spielen. Man muss das Positive rausho- len, das, was sinnlich anspricht. Die Be- geisterung für das, was man macht, ist nicht nur in den großen Gruppen not- wendig, sondern generell im Untericht: Komm, machen wir Musik, und machen wir sie jetzt. Haben Sie den Eindruck, Zitherlehrer würden das Positive an ihrem Instru- ment zu wenig ansprechen? Vor lauter Fehlerkorrektur kann es Leh- renden schwerfallen, die Begeisterung für ihr Instrument frisch zu halten. Mir wurde zunächst vermittelt: Zither ist schwierig, beide Hände machen etwas Unterschiedliches, die Saiten sind hart. Niemand hat mir gezeigt, wie toll das Instrument klingt, oder dass man wie auf einer Harfe spielen kann, oder wel- che faszinierenden Klänge rauszuholen sind. Bei einer Instrumentenvorstel- lung sollte ein Instrument so präsen- tiert werden, dass die Kinder sagen, wow, das Instrument möchte ich ler- nen. Volksmusik ist sicher schön, reicht aber nicht, um das zu erreichen. Stilis- tisch braucht man auch etwas anderes, so richtige „Ear-Catcher“ eben. Man muss die Zither bestimmt nicht retten, aber man könnte mehr Menschen für sie begeistern. Derzeit entstehen wieder neue Stücke. Ja. Dafür habe ich jetzt neue Experi- mente angestellt mit Major 7-Akkorden, neuen Rhythmen mit Perkussivelemen- ten, aber auch rockigen Riffs. Und auch ein Blues ist dabei. Ich möchte gerne rhythmisch und klanglich einfache, aber motivierende Stücke machen für die Zither. Ein weiteres Projekt könn- ten danach noch Ensemblestücke sein. Ziel ist es auch, für die Zither Patterns zu schaffen, die die Lehrer durch ihre Prägnanz semiauditiv, durch Hören, Sehen, Nachmachen mit unterstützen- der Notation, im Unterricht anwenden, aber auch improvisatorisch mit den Schülern weiter entwickeln können. Haben Sie Ihre Zitherstücke schon auf der Bühne erlebt? Die Uraufführung meiner Stücke haben Georgs Studierende im Gasteig über- nommen. Sie haben das mit großem Engagement gemacht. Ich spiele Zither bisher noch ohne Zitherring (zeigt eine Blase her). Das klingt bei mir nicht so toll. Daher war es für mich sehr be- rührend, im Konzertsaal zu sitzen und die Musik zu hören, die allein aus dem Zufall entstanden ist, dass ich Georg ge- troffen habe. Peter Hackel stellt seine Stücke gemeinsam mit Georg Glasl in einem Workshop am 16. Februar 2019 in der Kreismusikschule Erding vor (siehe Seite 77).