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2016_Zither-Mag_1

klassischer Klavier-, Kammer-, Orches- ter- oder Opernmusik für Zither“, schrieb er 1924 in der Münchener Zitherzeitung (1924/4, S.1). Die Problematik, die Rüdinger klar er- kannte, bestimmte das Geschehen um die Zither auch in den Jahren nach dem Krieg. Obwohl die Zither noch sehr po- pulär und weit verbreitet war, gelang es weder in U- noch E-Musik, an die aktu- elle Musiksprache anzuschließen. Armin Kaufmann und Alfred von Beckerath (1901-1978) zählten zu den wenigen Ausnahmen, die die Zither in ihr kompo- sitorisches Schaffen einbanden. Becke- rath, der bei Max Reger und Joseph Haas studiert hatte, leitete nach dem Krieg das Theater der Jugend in München und übernahm in den Fünfzigerjahren die Leitung des Stadttheaters Ingolstadt. Beckeraths Werke fanden außerhalb der Szene keine Beachtung Sein Schaffen umfasst alle Gattungen, bekannt wurde er vor allem durch seine Jugendopern. Seine Zitherstücke zeich- nen sich durch handwerklich gediegene, klassische Kompositionsmuster aus. Das stellte in der Zitherliteratur zwar einen Fortschritt dar, die Werke fanden aber außerhalb der Szene keine Beachtung. Fast zeitgleich schrieb auch Armin Kauf- mann (1902 - 1980), Stimmführer der zweiten Geigen bei den Wiener Sympho- nikern, einige wenige Stücke für Zither solo und ein Trio für Violine, Zither und Gitarre. Auch er war kein Neutöner, son- dern schuf kleine Tonbilder im roman- tischen Gestus wie in seiner Suite für Zither (1952). Die Zither wurde 1973 zum Wettbewerb „Jugend musiziert“ zugelassen. Da im Wettbewerb auch zeitgenössische Origi- nalliteratur gespielt werden muss, ver- stärkten sich die bis dahin kaum vorhan- denen Bemühungen um originäre neue Literatur. Lili Grünwald-Brandlmeier, die seit 1976 am Richard-Strauss-Kon- servatorium in München Zither als künstlerisches Hauptfach unterrichtete, ihr Nachfolger Fritz Wilhelm und Toni Gößwein, Jugendreferent des Deutschen Zithermusikbundes, bemühten sich sehr, Komponisten für das Instrument zu gewinnen. Parallel baute der österrei- chische Komponist und Zitherpädagoge Peter Suitner am Landeskonservatorium Innsbruck eine Zitherklasse auf und er- möglichte mit dem Schulwerk Lehrgang für Zither, seinen Bearbeitungen alter Musik und eigenen Kompositionen eine Weiterentwicklung hinsichtlich Satz- technik, Stilistik und Ästhetik der Un- terrichtsliteratur. In diesen Jahren entstand eine breite Palette von handwerklich meist gut ge- machten Solo- und Ensemblewerken für Zither, die zwar im allgemeinen Musikle- ben keine Resonanz fand, aber trotzdem eine Fortentwicklung der Spieltechnik auslöste und den Weg für eine Öffnung zu neueren Klangsprachen bereitete. Stellvertretend zu nennen sind hier an erster Stelle die Werke von Gernot Sauter (*1947), der ein umfassendes Kompendium an Solo- und kammer- musikalischen Werken für Zither schuf und versuchte, binnen weniger Jahre versäumte Kompositionsstile für Zither nachzuholen und Lücken zu schließen. Wichtige Impulse lieferten aber auch die Werke von Peter Hoch (*1937). Wei- ter zu erwähnen sind Karl-Heinz Köper (*1927), Veit Erdmann-Abele (*1944) und Theodor Hlouschek (1923-2010). Stilistisch bewegte sich die Kammer- musik der Achtzigerjahre zwischen ei- ner impressionistischen Klangsprache, traditioneller Satztechnik, der Dodeka- phonie, graphisch notierten Geräusch- und Klangstücken sowie Werken mit seriellen und aleatorischen Komposi- tionsmerkmalen. Was fehlte, war eine konzeptionelle, künstlerische Ausein- andersetzung mit den Tendenzen der Neuen Musik, die in Werke mündete, welche der Zither in der zeitgenössi- schen Kammermusik einen eigenständi- gen, unverwechselbaren Platz zuwiesen und ihr auch Publikum außerhalb von Zitherfachkreisen sicherte. Der Kompo- nist Peter Kiesewetter analysierte den Stand der zeitgenössischen Zitherlitera- tur in einem Brief an mich 1993 folgen- dermaßen: „Eine ebenso große Gefahr wie die folkloristische Aura scheint mir zu sein, dass die Bemühungen um ein breiteres Repertoire nunmehr eine Fülle peripherer Kompositionen zeitigen, und die folkloristische letztendlich durch eine kleinmeisterlich-gebrauchsmusi- kalische Aura ersetzt würde, was min- destens ebenso schlimm und dem Re- nommee des Instruments ebenso wenig zuträglich wäre.“ Peter Kiesewetter (*1945) war der ers- te Komponist, der erkannte, dass das Klangbild der Zither in der zeitgenössi- schen Kammermusik nicht existierte. Ihn interessierte, wie Leopold Hurt es in der Reihe „Komponisten in Bayern“ (Bd.51, 2009) formulierte, „das Vore- xerzieren moderner Spieltechniken, die mitunter selbst schon wieder zur Kon- vention erstarrt sind, genauso wenig wie das bloße Zur-Schau-Stellen einer intel- lektuell geadelten Kompliziertheit“. Die Suche nach einer neuen Klangsprache beginnt mit Kiesewetter Von 1993/94 an schob sich die Zither als bevorzugter Klangkörper immer mehr in den Mittelpunkt seiner Arbeit, solistisch und vor allem in Kombination mit Stim- me. In dem Begleittext zu Tefilà Lemos- hè, der 90. Psalm, op. 63, für Sopran und Basszither, begründet Kiesewetter sei- ne Instrumentenwahl sehr exakt: „Von allen in Frage kommenden gezupften Saiteninstrumenten wurde schließlich die Basszither gewählt wegen Kernig- 28 | INNENANSICHT

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