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2016_Zither-Mag_1

keit, Sonorität und Kraft ihres Tones, aber auch wegen der Abbildlosigkeit ih- res Klanges. Harfe, Gitarre, Laute, aber auch Diskant- und Altzither sind mit typischen Musikstilen und –epochen amalgamiert: die Harfe mit dem Großen Orchester zwischen Hector Berlioz und Alban Berg, die Gitarre mit spanischer und südamerikanischer Folklore, die Laute mit der Musik von Renaissance und Frühbarock, die hohen Zitherinstru- mente schließlich changieren assoziativ zwischen alpenländischer Volksmusik und Harry Lime. Der Klang der Bass- zither hat mit alledem nichts gemein. Er gemahnt von ferne an Monteverdis Mantuaner Opernorchester, ist dem des Chitaronne verwandt, legt Komponisten wie Hörer aber weniger fest auf ein his- torisches Idiom.“ (Programmheft Zither 1, 1995) Peter Kiesewetter war sich bereits 1993 zu Beginn unserer Zusammenarbeit darüber im Klaren, dass die meisten Zitherspieler aufgrund ihrer geringen Vertrautheit mit Neuer Musik von seinen Werken in technischer und stilistischer Hinsicht überfordert sein würden. Es galt dringend eine Lücke zu schließen, um junge aufgeschlossene Zitherspieler mit einer gut fundierten Literatur lang- sam heranzuführen. Mit dem über 60 Einzeltitel umfassenden Werk Gil für ein bis vier Zithern liegt ein Kompendium von in Tonvorrat und Schwierigkeitsgrad sukzessive fortschreitenden Vortrags- stücken vor, das, wie Fredrik Schwenk in seiner Analyse zu Gil schrieb, „in der Qualität dem berühmten Mikrokosmos von Bela Bartok in nichts nachsteht“ (in „Komponisten in Bayern“, Bd.51, 2009). Im zweieinhalbstündigen Oratorium Bereshit. Azione sacra per Soprano, Viola, Cetra, Percussione e Nastro ma- gnetico wählte Kiesewetter kurz darauf zwar eine kammermusikalische Klein- besetzung, sprengte aber den Rahmen europäischer Kammermusiktradition. Minimal und außergewöhnlich besetzt übernehmen die Instrumentalisten teil- weise Sprechtexte, bedienen Peitschen, der Schlagzeuger spielt Didgeridoo. Der erste Teil wurde 1996 in Benediktbeuern uraufgeführt, eine Gesamturaufführung übernahm die Bayerische Akademie der Schönen Künste 2001 in München. „Eine Musik von archaisierender Kargheit und Klarheit, eine Musik, bei der die Ökono- mie der Mittel auf die Spitze getrieben ist. Das rhythmische Element besteht im Wesentlichen in einem schnellen Drei- ertakt, getragen von Zither und Schlag- werk. Ein konstantes, beständiges, pul- sierendes Metrum, über dem sich die Harmonien und Instrumentalfarben der Viola entfalten. So entstehen Wirkungen eines endlosen In-sich-Kreisens, ähn- lich wie in der Sakralmusik eines Arvo Pärt und in der Minimal Music, etwa in Steve Reichs Psalmvertonung ‚Tehillim‘. Und doch wirkt das bei Kiesewetter ganz anders: Da ist nicht die unbedingte, ständig vorwärts drängende Motorik des immer Gleichen. Stattdessen weitere Reduktion, immer wieder Momente des Verstummens und spannungsgeladener Stille, wie sie etwa bei Luigi Nono (‚An Diotima‘) oder Wolfgang Rihm (‚Gesun- gene Zeit‘) in ähnlicher Weise zu finden sind“, urteilte die Süddeutsche Zeitung nach der Uraufführung. Kieswetters Werke für Zither haben das Klangbild des Instruments verändert und neu geprägt. Er schuf keine „moder- nistischen Klang- und Effektstücke“, die er schon in dem bereits erwähnten Brief angeprangert hatte, sondern gab dem In- strument einen sinnvollen, unverwech- selbaren Platz in seinem eindrucksvol- len Gesamtwerk. Inspirierte die in der Bibel vielfach be- legte Kombination Stimme -Saitenin- strument Kiesewetter 1993 zu Tefila Lemoshe, so faszinierte den österreichi- schen Komponisten Herbert Lauermann die zeitlose Gültigkeit des biblischen Textes. In Psalm (2003-2009) schuf er Peter Kiesewetter erkannte als erster, wie unverbraucht der Klang der Zither in der Neuen Musik war. Musik von archaischer Kargheit: die Gesamturaufführung von Peter Kiesewetters „Bereshit” im Jahr 2001 Foto: privat INNENANSICHT |29

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