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2016_Zither-Mag_1

drei Komponisten mit nahezu konträren Klangsprachen. Ihre Gemeinsamkeit: Sie beziehen sich in diesen Arbeiten auf Kompositionen von Franz Schubert, orientieren sich am Original, transfor- mieren es in ihre Sprache. Dazwischen quasi als Interludien stehen Paraphra- sen Schubertscher Tänze, Ländler und Deutsche, die in der Bearbeitung für Zither und Streicher von Bernd Red- mann vielfarbig an die heitere, aber weitgehend verlorengegangene Welt der Ländler und Deutschen Tänze erinnern. Neben Redmanns Paraphrasen entstan- den auf diese Weise Wilfried Hillers Das Große Lächeln – Tarot VI. Klaus Lang komponierte Barbaras Landler, wäh- rend Bernhard Lang seinen Zyklus mit Monodologie M XXXI ….for Franz für Zither und Streichquintett fort setzte. In allen Stücken fungiert die Zither als Bindeglied zwischen Tradition und Moderne. Einerseits ist das historische Klangbild verbunden mit der volksmusi- kalischen Provenienz als Kind der Alpen. Andrerseits ist sie im Kontext einer klas- sischen Streichquintett-Besetzung ein avantgardistischer Klangkörper. Zither in mikrotonaler und reiner Stimmung Georg Friedrich Haas‘ Saitenspiel, das ich 2002 bei den Klangspuren Schwaz uraufführte, zählt neben Georg Haiders Ensemblestück Orson Welles' Schatten, uraufgeführt 2001 beim Festival Zither 4, zu den ersten Stücken, in denen die Zither dezidiert mikrotonal eingestimmt wird. Haas verwendet eine ausgeklügelte Stimmung der Zither, basierend auf der Obertonreihe von As. Griff- und Freisai- ten werden um einen Viertel-, Sechstel- oder Zwölftelton tiefer gestimmt. In ei- nem bestimmten Freisaitenbereich wird die Obertonreihe auf As um einen Sech- stelton erhöht, in einem weiteren Be- reich bleiben die Töne unverändert. Auf diese Weise entstehen für das Stück zwei harmonische Grundlagen, die sonore, in sich ruhende Klangwelt der Naturtonrei- he und die temperierte Zwölftonreihe. Haas versucht eine Synthese zweier Ton- systeme, wofür sich die Zither, vor allem die frei einstimmbaren Freisaiten, gut eignen. Bei den skordierten Griffsaiten mit dem temperiert angelegten Bünde- griff ist die Umsetzung für den Spieler diffizil, da gewohnte Griffschemen verlo- rengehen und die Stimmführung durch große Sprünge in der linken Hand er- schwert wird. Inzwischen liegt ein weite- res Werk von Haas vor, eine Oper, in der auch Zither besetzt ist. Haider (*1965) arbeitet in Orson Welles Schatten und den Nihilistischen Liebes- gesängen (2005) bei der Posaune mit Naturtönen. Bei der teilweise vierteltö- nig eingestimmten Zither wird der elfte Naturton darstellbar. Dadurch entstehen Zwitterintervalle wie die Zwitterterz, die zwischen kleiner und großer Terz liegt und somit nicht mehr eindeutig Dur oder Moll zuzuordnen sind. Dieses Inter- vall kommt gesungen zum Beispiel auch bei Schweizer Jodlern vor. Orson Welles Schatten gibt es inzwischen auch in ei- ner Fassung für Sprecher und Musik. Die Lesung aus Graham Greenes Roman „Der dritte Mann“ erleichtert den Zugang zu Haiders komplizierter Klangwelt. In Manfred Stahnkes (*1951) The Alps Blues Clone für Violoncello, mikrotonale Diskant- und Basszither (ein Spieler) spiegelt die mikrotonale Stimmung zwei innere Stimmungen wider. „Die eine kommt aus einer Kinderzeit, wo ich die ‚Engel-Familie’ aus den Alpen hörte. Wie aus ferner Zeit wie selbstverständlich daherkommend wandert diese ‚Volksmu- sik’ durch die einfachen Akkorde der to- nalen Sprache“, schreibt er 2005 im Text zu dem Stück. Die zweite Stimmung ist „aus einer Jetztzeit, wo ich vehement eine Harmonik suche, die diese ferne Zeit neu beleuchtet und nichts anderes ist als ein Abklopfen uralter Vorgänge, so uralt, dass schon die Insekten es kön- nen: Differenztöne hören.“ Der Physiker und Komponist Hauke Har- der (*1963) ist in seinem kompositori- schen Schaffen beeinflusst von La Monte Young (*1935) und Alvin Lucier (*1931). In dem Duo Cultivating the empty field für zwei Zithern (2008) werden die Inst- rumente auf unterschiedliche Grundtöne jeweils rein eingestimmt. Die Griffsaiten werden leer gespielt, das temperierte Bündegriffbrett nicht benutzt. Die Ten- denz, Zither mikrotonal einzustimmen, lässt sich seit 2000 bei vielen Kompo- nisten feststellen, u.a. bei Leopold Hurt oder Alexander Strauch, auf deren Schaffen ich im zweiten Teil (Magazin Zither 2/2016) eingehen werde. Leopold Hurt hat Manfred Stahnkes „The Alps Blues Clone” initiiert. Gemeinsam mit dem Cellisten Martin Jaggi führte er das Stück während des Festivals Zither 6 (2006) auf. Foto: privat INNENANSICHT |33

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