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2016_Zither-Mag_1 - Reportage

ein Flirt zwischen zwei Kulturen

D ie Langhalslaute Bag ˘lama, auch Saz genannt, wiegt nicht schwer. Carla Hanser legt den Korpus aus hellem Holz auf die Mitte des rech- ten Oberschenkels, so wie Murat Bay es gerade vormacht. In ihrer linken Hand ruht locker der lange grazile Instrumen- tenhals. Ihn auf Schulterhöhe zu halten, sei ganz schön anstrengend, klagt sie nach kurzer Zeit. Sie staunt, wie fein die sieben Stahlsaiten sind und wie leicht sie sich drücken lassen. Zum Spielen muss sie die Finger der linken Hand weit spreizen, das ist mühevoll. Dennoch findet die junge Zitherspielerin und Bun- despreisträgerin bei „Jugend musi- ziert“ die Bag ˘lama, das „g ˘“ wird nicht gesprochen, „irgend- wie lustig“. Murat Bay aus der Nähe von Of- fenburg be- sitzt in Deutschland und in der Türkei den Ruf eines Bag ˘lama-Virtuosen. Der Mu- siklehrer ist die Ruhe selbst und lässt den Zitherspielern Zeit, das traditio- nelle Saiteninstrument aus Anatolien auszuprobieren. Die Teilnehmer schla- gen mit dem Plektron in der rechten Hand abwechselnd die Saiten in D-, G- und A-Stimmung. „Es ist ganz leicht, ein Lied zu lernen“, macht er Mut und verteilt ein Notenblatt. Die Gruppe hat sich entschieden, Vierteltöne zu spie- len. Sie machen den typischen anatoli- schen und arabischen Sound aus. „Ich habe bei den Vierteltönen ständig das Gefühl, falsch zu spielen“, sagt Brigitte Hergesell, eine versierte Zitherspiele- rin. Sich an diese Mikrointervalle zu gewöhnen, ist nicht einfach. Die Neugier auf die Musikkultur des Ori- ents hat die Zitherspieler früh aufstehen und nach Offenburg in die Musikschule reisen lassen. Der DZB-Landesverband Baden-Württemberg veranstaltet an diesem 10. Oktober 2015 mit Murat Bay einen interkulturellen Workshop und Konzertabend. 17 Zitherspieler, darun- ter vier Anfängerinnen, und vier Bag ˘la- ma-Spieler sind gekommen. „Unser Wunsch ist, dass sich die Teilnehmer über die Instrumente und das ge- meinsame Musizieren kennenler- nen“, sagt Carmen Börsig, Vorsit- zende des Landesverbands. Ein Höhepunkt des Workshops ist das Ausprobieren des ande- ren Instruments. Im Übungsraum ein Stock- werk tiefer sitzen vier Bag ˘lama-Spieler an den Zithertischen und hören ihrer Lehrerin Birgit Fuchs zu. Die Musikerin lächelt aufmunternd in die Runde und zeigt, was die Zither so alles an Tönen und Musik hergibt. Die anfängli- che Distanz weicht echtem Interesse. Konzentriert zupfen die vier Musiker ab- wechselnd den G- und B-Bass. „Super“, lobt die Lehrerin und lässt jetzt die Me- lodiesaiten anschlagen. „Ah, die Finger müssen frei sein wie bei der Bag ˘lama“, erkennen die Spieler. „Gut erklärt“, sagt Birgit Fuchs. „Den Ausdruck muss ich mir merken.“ Ungewohnt ist das Spiel mit der rechten Hand. „Meine Finger schmerzen“, klagt Memduh Gökce. Die Bag ˘lama-Spieler besitzen eine feine, humorvolle Art In der Kaffepause bekennt er: „Nein, sol- che Schwielen an den Fingerkuppen, wie ich sie bei einer Zitherspielerin gesehen habe, will ich nicht haben.“ Alle lachen und bewundern seine tadellosen Finger- spitzen. „Ich feile und pflege sie“, sagt er. Die Atmosphäre ist fröhlich, es wird viel gescherzt. Die Bag ˘lama-Spieler besitzen eine feine humorvolle Art, es ist leicht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Beim gegenseitigen Vorspielen sind alle beeindruckt, wie viel man innerhalb von zwei Stunden auf einem fremden Inst- rument lernen kann. Die Zitherspieler musizieren auf der Bag ˘lama problemlos „Bruder Jakob“, „Alle meine Entchen“ und das anatolische Stück „Kalenin Basinda“. Die Bag ˘lama-Spieler lassen selbstbewusst auf der Zither zusammen mit Birgit Fuchs „Smoke on the water“ erklingen. Dann geht es am eigenen In- strument zur Sache. Die Zithergruppe spielt klassische und moderne Stücke, die sie am Vormittag im ersten Teil des Workshops bei Birgit Fuchs geprobt hat. Danach geben die Bag ˘lama-Musiker mit Murat Bay eine Kostprobe ihres Kön- nens. Als Birgit Fuchs um eine Zugabe bittet, überlegt Caver Yasar nur kurz und fängt mit einer wunderbaren Kopfstim- Die Neugier auf die Musikkultur von Orient und Okzident ist groß. Carmen Börsig (rechts mit Bag ˘lama) hat den Workshop gemeinsam mit Murat Bay (links neben ihr) initiiert. Beide hoffen, dass das gemeinsame Musizieren Brücken zwischen den Kulturen baut. Fotos: Faruk Ünver REPORTAGE | 39

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